Zivilrecht
Religiös motivierte Verweigerung einer medizinisch indizierten Bluttransfusion – Verletzung der Schadensminderungspflicht
In dieser Entscheidung vertritt der OGH die Meinung, dass die Schadensminderungspflicht bei religiös motivierter Verweigerung einer medizinisch indizierten Bluttransfusion verletzt wird, wenn durch diese Maßnahme eine weitere Schädigung (hier: der Tod des Unfallopfers) vermieden hätte werden können. Dabei hat sich das Gericht mit der Meinung auseinandergesetzt, in welcher das Recht auf Glaubens- und Gewissenfreiheit im Ergebnis höher einzustufen sei, als das Recht auf Eigentum.
Danach sei die beim Unfall Verletzte in ihrer Religions-, Glaubens- oder Gewissensfreiheit nicht beeinträchtigt gewesen. Als eigenberechtigte Person sei es ihr freigestanden, jegliche medizinische Behandlung, somit auch eine Bluttransfusion, rechtmäßig zu verweigern. Die Verletzung der Schadensminderungspflicht setze nämlich kein rechtswidriges Verhalten des Geschädigten voraus, sondern begründe lediglich eine Obliegenheitsverletzung.
Diese Freiheit der (Gewissens-) Entscheidung bedeute aber laut OGH nicht, dass derjenige, der eine für ihn objektiv ungünstige, gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßende Gewissensentscheidung trifft, die aus der objektiven Ungünstigkeit der Entscheidung folgenden Nachteile nicht zu tragen hätte.
Diese Nachteile sind im vorliegenden Fall möglicherweise der Tod der Verletzten. Aber auch, dass im Fall, dass bei medizinisch indizierter und durchgeführter Bluttransfusion die Verletzte überlebt hätte, der Schädiger für die nachteiligen Folgen dieser objektiv ungünstigen Gewissensentscheidung nicht einzustehen hat.
Ansonsten wäre das ebenfalls verfassungsrechtlich gewährtleitete Grundrecht des Schädigers auf Eigentum (Art 5 StGG) betroffen.
2 Ob 219/10k
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